Wir
Es
herrschte die Angst in den Straßen der Stadt, eine Todesangst, wie sie auf dem
Schlachtfeld schlimmer nicht seien könnte: Mehr noch, denn auf dem Schlachtfeld
weiß man, aus welcher Richtung die Kugeln fliegen und auf wessen Hilfe man zählen
konnte (schließlich herrschte Uniformzwang!), in den Straße aber wußte man
nicht, wer auf der eigenen und wer auf der gegnerischen Seite stand. Ein
falsches Wort, daß den Guru erreichte, und man verschwand.
Nur
an einem Ort konnte man reden, wie man reden wollte, unter der Brücke über den
Bach am Rande der Siedlung: Hier trafen wir uns, Ot und seine Freunde, heimlich
natürlich, in ständiger Angst, erwischt zu werden. Wir waren bereits im ganzen
Machtapparat des Gurus verteilt, und unter der Brücke konnte man hören, wer
warum und wohin verschwunden war: Und von hier aus organisierten wir den
Aufstand.
Der
Guru war reich, und so konnte er viele Menschen bezahlen, die für ihn kämpften:
Aber die unterdrückte Bevölkerung war zahlreicher, und nur darauf, daß alle
an einem Strang zogen, kam es an. So hieß die Parole vom ersten Tage an: "Einig kommen wir zum Ziel!" Ein Anschlag auf den Guru wurde organisiert,
und der einzige Grund, daß er scheiterte, war Ot's Einspruch: "Denn," so
begründete er seine Weigerung, den Guru und dessen Komplizen im geeigneten
Moment zu erstechen, "Nur so können Wir verlieren!"
Wir,
die Befreier, konnten uns damit natürlich schwerlich zufrieden geben. Wir
sahen, daß wir nicht auf Ot zählen werden können, und gemäß unserem Motto
verschwand er auch, einen Tag, bevor nach einem nur Sekunden andauernden Kampf
der Guru und die übrigen Schurken unsere Stadt für immer verließen. Nie
wieder hörte man vom Guru, und seine Untaten gerieten schnell in Vergessenheit.
Und
es herrschte die Angst in den Straßen der Stadt, eine Todesangst, wie sie auf
dem Schlachtfeld schlimmer nicht seien könnte: Mehr noch, denn wir sahen ein,
daß Wir Waffe, Täter und Opfer war.
Mölln, ca. 1986