Das Leid von unsrer Zeit

"Hey, Freund, bist Du okay?"
"Ich sitz hier nur und höre."
"Dann setz ich mich dazu,
und hoff', daß ich nicht störe. 

Ich habe grad' gegessen."
"Ich höre, wie sie messen,
und neue Straßen bauen,
Uns unsere Wälder klauen."

"Hey sag, hast Du schon Mathe?"
"Ich hör den Schrei: Mulatte!
und hör den Armen weinen,
und bei ihm hör ich keinen. 

Ich höre Kinder hungern,
Und andere hör ich sterben,
und wieder andere lungern,
die werden bald verderben."

"Kannst Du Dich nicht befreien?"
"Ich höre Männer schreien,
wenn Kugeln sie durchbohren,
was haben viel verloren!"

"Mein Freund, Verzeihung, doch du störst,
ich hörte längst schon, was du hörst.
doch will ich nicht hier sitzen,
und lauschen durch die Ritzen,
Dem Leid von unsrer Zeit.
Um Freude zu ergänzen,
in meinen kleinen Grenzen,
mein Freund, bin ich bereit."

 

Mölln, ca. 1990